Modellautos und das Sommerloch 2014

04 August 2014
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Wenn man hadert(h)

Man kann sich heuer über viel ereifern, über ein Sommerloch aber wahrlich nicht. Ein paar strapazierte Deutschlandfähnchen hängen bestellt und nicht mehr abgeholt herum, als Erinnerung an den WM-Wahnsinn, der bis August dieses Land im Griff hatte. Entweder hat man sie vergessen oder ein „Jetzt-erst-recht“-Gefühl für sie entwickelt. Wie auch immer, schön ist das nicht. Eher verschämt, traurig, deplatziert. Besonders im gleißenden Lichte, das dieser Sommer auf unsere Lande wirft. Alles strotzt vor Leben, Hitze und Grillfleisch. Und kein laues Lüftchen mag die Fahnen elegant bewegen. Die Sommernatur verhält sich wie Christine Haderthauer: still.

Christine Haderthauer, unsere bayrische Uschi von der Leyen, beherrscht die Kunst des Schweigens. Man erinnere sich nur an ihren Besuch 2013 bei Würzburger Flüchtlingen. Die Flüchtlinge haben sich erregt. Hadertauer hat sich wortlos wegfahren lassen. Als in München Asylbewerber am Rindermarkt in Hungerstreik traten, hat die damalige Sozialministerin, man beachte das "soziale" im Titel, vollends die stille Contenance behalten und sich gar nicht gezeigt. Wobei: Vielleicht war sie vor Ort, nur eben so still, dass niemand sie bemerkte. Sie passt scheints so gar nicht zu Horst Seehofer, unserem bayrischen Gabriel und Dobrindt, unserem kleinen Seehofer. Die poltern und rumpeln drauf los und betteln dann mit ihrer leeren Keksdose vor Merkel um eine Belohnung.

Meistens schweigt auch Merkel, aber anders, aussagekräftig. Ein Guttenberg hätte an Haderthauers Stelle schon längst irgendwas dementiert oder gesagt, wie viel er zu der Zeit arbeiten musste, so dass er sich nicht darum kümmern konnte, ob nun einer, der drei Sexualmorde begangen hat, irgendwelche Modellautos zusammenschraubt. Nicht so Hadertauer. Sie verwandelt sich in das schwarze Sommerloch und saugt alles auf.dae15941be3e467c8b1c9dcd764733e9

Vielleicht wünscht sich derzeit ein Peter Gauweiler oder eine Dagmar Wöhrl die Haderthauer als Double. Als Stunt-Schweiger zum Thema Nebeneinkünfte, die Politiker überhaupt nicht gern öffentlich besprechen. Freilich, wenn das Volk mitkriegt, was ein Mandatsträger noch so alles in die Tasche kriegt, dann platz dem Volk vielleicht einmal der Kragen, bei der nächsten Diätenerhöhung, die unser Bundesgauck während irgendwelchen Mega-Sportevents, wie der diesjährigen WM, doch genehmigt. Nach Angaben von abgeordnetenwatch.de haben seit der Bundestagswahl diverse Menschen im Parlament insgesamt 6,63 Millionen Euro nebenher „verdient“. Mindestens. Und zu mindestens 2,1 Millionen Euro fehlen die Namen der „Kunden“. Man spricht Haderthauerisch.

Andererseits wäre es nicht schlecht, würde sich manch ein Bürger ein Beispiel an der Haderthauer nehmen, wenn es um den Gaza-Krieg geht. Bezüglich dem Konflikt hat kaum jemand eine wirkliche Ahnung, aber jeder eine Meinung. Schließlich liest man die Tageszeitungen, bitte schön. Schnell findet man ein Gegenüber mit einer anderen Meinung. Dann streitet man erst zünftig, später laut und immer lauter, bis man irgendwelche Parolen brüllt und plötzlich gibt es wieder eine Menge Antisemiten, die das im besten Fall gar nicht wissen. Aber die Fahnen! Bleiben! Hoch! Oben! Hängen! Zefix! Das wird man wohl noch tun und lassen dürfen, hier. Allerdings verlässt man gern einmal eine Demonstration für den Frieden im Gazastreifen, wegen israelischen Fahnen. Wir wollen uns ja nicht einspannen lassen oder auf irgendeiner Seite stellen, wir wollen nur Frieden. Das ist eigentlich löblich, aber zugleich ein Problem. Ständig fordern Wutbürger, Yoga-Mammis, Demo-Rentner und Apfelbaumpflanzer den Frieden, ohne zu wissen, wer den Krieg befeuert. Man kann sich ja unmöglich mit allem befassen, wo doch gerade wieder Teelichter und Fahnenwaschmittel im Angebot sind.

Es ist freilich viel einfacher, sich über Tote im Gazastreifen („Die wollen einfach keine Ruhe geben, da unten.“) und Putin zu ereifern, als im eigenen Politstall auszumisten, wo sich die Gestalten in Mau(t)scheleien aalen und fett fressen. Vor der eigenen Haustür kehren, macht mehr Arbeit, als seinem Nachbarn sagen, dass sein Türvorleger wie Sau aussieht. Also heizt man die Stimmung gegen die umliegenden Länder und Regenten an, redet und schreibt lieber den dritten Weltkrieg herbei, während der Volkszorn auf Sparflamme kocht.

Da darf ein Oppermann schon mal sagen, dass die Snowden-Affäre die Beziehung zu den USA nicht belasten solle, ohne, dass er sofort aus seinem Amt geworfen wird, damit er seinen Fähigkeiten gemäß arbeitet. Als Rasenmäher oder Gänseblümchen. Freilich, unsere Beziehung zu dieser Regierung ist seit Jahren einwandfrei freundschaftlich und basiert auf Vertrauen.

Dieses Vertrauen hat die Haderthauer jedenfalls verspielt. So still, so vollkommen unaufdringlich sie sich durch den politischen Alltag schlängeln mag: Der faulige Zankapfel um den Verkauf von Modellautos ist vom Baum gefallen, laut aufgeplatzt und verströmt nun einen so üblen Geruch, dass dagegen die Seichrinnen (Pissrinnen) auf der Wiesn wie ein olfaktorisches Paradies wirken. Wahrscheinlich wartet man deshalb vergeblich, dass sich Seehofer, bayrischer Alleinherrscher, schützend und brummelnd vor ihr aufbaut. Er lässt sich nicht gern einen Bären aufbinden, er ist der Bär. Nein, der König der Löwen – oder zumindest der Bayern. Und wenn hier einer (jemanden an-)stinkt, ist er das.

Bei der derzeitigen Windstille könnte die Haderthauer daran ersticken.

Andrea Limmer

Freie Journalistin

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