Die Liste der Käuflichen ist lang und Geld ganz offensichtlich nur etwas wert, wenn es etwas zu schaffen gibt. Ein Fuffi nutzt einem Schiffbrüchigen mitten im Atlantik nüscht. Freilich, als Klopapierersatz könnte der Schein dienen. Oder um ein Schiffchen zu falten. Trotzdem hat Geld einen eigenen Stellenwert in unserer Gesellschaft erhalten. Geld ist begehrt. Wir vergessen, dass es nur eine Möglichkeit darstellt; eine Möglichkeit in der Zukunft. Zum Beispiel, indem man sich eine Doktorarbeit oder einen -titel kauft.
Die Zukunft wiederum – und ich werde nicht müde, dies zu sagen – gibt es (noch) nicht. Auch sie ist lediglich eine Vielzahl an Möglichkeiten, ein Gedankenspiel, ein Reigen von Hoffnungen und Plänen. Geld als Geschenk wiederum gilt in unserem Kulturkreis – außer bei einer Hochzeit oder ähnlichem – als einfallslos. Denn man hätte ja selber die Möglichkeit gehabt, jemandem eine Freude zu bereiten. Das ist quasi die laue Selbstbefriedigung, wenn der Sexualpartner seine Möglichkeit ungenutzt lässt.
Die USA wollen Europa derzeit Geld als Mittel der Selbstbefriedigung in die Hand geben. Statt mehr als 8.000 Verfolgte aufzunehmen, statt in einem Miteinander etwas zu schaffen, spendiert der reiche Onkel uns einen Scheck und vielleicht einen schönen Strauß als Anerkennung. „Toll habt ihr das gemacht.“ Freilich, Geld ist in der derzeitigen Situation bitter nötig. Ehrenamtliche Helfer können unmöglich alles allein stemmen, die deutschen Bundesländer krächzen nach finanzieller Zuwendung von der Regierung und so weiter. Allerdings fordert Obama während er die Spendierhosen anzieht seine Pläne bezüglich Syrien ein. Zum Beispiel eine „Übergangsregierung“. Dieser Aufgabe nehmen sich die USA indes bekanntlich nur allzu gern an.
Vollmundig erklärt Obama, dass er sogar mit Russland zusammenarbeiten wolle. Nach seinem Willen, schon klar. Die „dunklen Mächte“ müssen weg und die „Achse des Bösen“ … Verzeihung, das war ein anderer. Der amerikanische Präsident macht, fast nebenbei, seinen Standpunkt und Status ziemlich klar: „Ich führe die größte Streitmacht der Erde, und ich werde nicht zögern, sie zum Schutze meines Landes oder eines Verbündeten einzusetzen.“ Beruhigend, nicht? Klar, nur für Verbündete. Verbündete sind diejenigen, die brav in jeden Krieg mitziehen und sich aushorchen lassen.
Ja, der hier angeschlagene Ton ist kein schöner. Nicht einmal ein progressiver. Oder unterhaltsamer. Allerdings beobachte ich seit Wochen, dass die „Flüchtlingskrise“ die Menschen einerseits aktiviert, manchmal sogar zu viel, andererseits aber lähmt und obendrein manchen Elementen erlaubt, sich völlig anstandslos zu benehmen.
Horst Seehofer zum Beispiel. Mehr Stammtischpropaganda als der Stöpselsucher kann nur Joachim „No-word“ Herrmann. So etwas wie „Müllhaufen des Sozialismus“ gegenüber Linken geäußert, das ist man ja von ihm gewohnt. Das hört man ja gern in Bayern. Über Linke mag man halt lieber lachen als nachdenken. Aber wir waren beim Seehofer, dem Oberjanker, der seine ganze Masse an radikaler Randsteinrhetorik auffährt, um Stimmung gegen „die Flüchtlinge“ und – oho! - gegen seine Kanzlerin zu machen. Sogar den durchgeknallten Orbán lädt er sich dafür ein und lässt ihn, in sich hinein lächelnd, gegen Merkel schimpfen. Zugleich präsentieren sie ein gemeinsames Bauprojekt: einen Zaun entlang der ungarischen Grenze zu Serbien. Er sei, sagt Orbán, Bayerns Grenzschützer.
Ja freilich.
Was ist denn da los? Was will denn der Horst da bezwecken? Hat er lustige Schwammerl im Wald gefunden und will jetzt Kanzler werden? Und überhaupt: Denkt denn niemand an den Joachim? Der ist doch Bayerns Grenzschützer!
Doch auch Privatpersonen suhlen sich immer häufiger in gedanklichen Exkrementen, welche von Gestalten stammen, die zum Herrmann-Sprach-Ausfall bezüglich Roberto Blanco sagen: „Hat er vielleicht nicht recht? Ist der Roberto Blanco vielleicht nicht schwarz?! Das wird man ja noch sagen dürfen!“ - Und diese Suhle speisen inzwischen ebenfalls Gestalten, die weiter rechts herumlungern, hetzten und abwarten.
An einem Nachmittag saßen im Zug nach München Verfolgte. Und vor der Treppe zu deren Abteil hockten zwei rotgesichtige Gaudiburschen in karierten Tischdecken, die sie fälschlicherweise für Trachtenhemden hielten. Ich kam gerade aus dem vollbesetzten Abteil der Verfolgten. Und die zwei Burschen blökten mich fröhlich an.
Gaudibursch#1: „Mädl, da oben würd ich nicht bleiben, ha, ha! Hast schon geschaut, ob du deinen Geldbeutel noch hast?“
Gaudibursch#2: „Ich hab gemeint, das Klo ist kaputt. Derweil stinken die Asylanten so! Ha, ha!“
Natürlich muss man das ein bisschen locker sehen, ja ja, sie hatten bereits ihre dritte Vormittags-Halbe. Und auch ihnen war für diesen und den nächsten Tag die Heimat- und Orientierungslosigkeit gewiss.
Menschlichkeit ist gefragt.
Aber Geld ist noch mehr gefragt. Die Verfolgten werden so gut wie möglich von der Wiesn und ihren „Besuchern“ ferngehalten. So ein Anblick trübt die Feier, verleidet den Appetit, lässt das Bier sauer werden. Darüber verkümmert der Geldbeutel der Wiesnwirte und Schausteller.
O je! Aber es ist trotzdem so gekommen! Ca. 300.000 Wiesnfarigankerl weniger als im letzten Jahr vermelden die verhärmten Wirte. „Das kommt von den Flüchtlingen“, höre ich staunend wie baff. „Weil sich wegen denen keiner auf die Wiesn traut. Weil da Schläfer dabei sind.“
So lernt die Bevölkerung: „Der Flüchtling“ macht uns die Wirtschaft kaputt. Was man für das Geld alles bauen könnte! Ja freilich. Aber davor hat man dieses „alles“ auch nicht gebaut.
Ich warte noch darauf, dass die Verfolgten schuld am schlechten Wetter und der geplanten Stationierung von amerikanischen Atomwaffen in Rheinland-Pfalz sind. Nein, Schmarren, über letztere spricht ja gar niemand, die sind ja wurscht – Hauptsache, die Brezn und Weiber sind resch. Und billig.
Geld. Eine komische Sache.
Und wie allen bewusst sein dürfte, kann Geld auch töten. Geld ist grundsätzlich weder „gut“ noch „schlecht“. Geld entsteht aus dem Nichts und bleibt nichts als eine Möglichkeit, um etwas zu schaffen. Mehr als Applaus und Blumen.
Vielleicht gelingt das den verantwortlichen Staaten sogar.
P. S.: Ein Detail sollte ich noch erwähnen. Auf der Freiheitsstatue steht folgende Zeilen aus einem Poem von der Dichterin Emma Lazarus: „Gebt mir eure Müden, eure Armen, Eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren. Den elenden Unrat eurer gedrängten Küsten; Schickt sie mir, die Heimatlosen, vom Sturme Getriebenen, hoch halt' ich mein Licht am gold’nen Tore!“