Griechenlandhilfe - es stinkt zum Himmel

08 März 2015
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Beim Zeus! Wer bekommt das Faule vom Ei?

Manchmal, da verzweifelt man an ganz einfachen Dingen. Ein gekochtes Ei schälen, zum Beispiel. Die Schale bleibt an mindestens 19 Stellen am Eiweiß kleben und das Ei sieht hernach aus wie die unzähligen männlichen Küken, die man aufgrund von wirtschaftlichen Gründen durch den Häcksler gejagt hat.

Nun kann der Mensch sich im Internet zu allem Hilfe holen. Oder sagen wir mal: Es versuchen. Und wenn man „Ei schälen“ und „schwer“ in die Suchmaschine eingibt, dann lernt man erstens, dass sich alte Eier besser schälen lassen, wegen Luftablagerungen, und zweitens, dass der Mensch keine Gelegenheit auslässt, um sich als universeller Experte hervorzutun. Es finden sich leidenschaftliche Abhandlungen in den Foren, wie, wann, wo, welches Ei auf welche Art zu schälen ist. Und dass das Wort nicht „schälen“ heißt, sondern „pellen“, bitte sehr. Das ist hier schließlich alles kein Spaß.

Und genau diese Einstellung ist ein großes Problem sowie ein Unterwerfungsinstrument dieser Tage: die verbissene, eherne Ernsthaftigkeit. Sie scheint „dem Deutschen“ auf den ersten Blick angeboren. Man betrachte allein des Deutschen Oberhaupt, die deutscheste der Deutschen: Mutti. Wenn Angela Merkel lächelt, scheint die Welt kurz zu schlingern, in einer Art implodierter Ekstase. Sofort blitzen dann die Fotoapparate und wir können uns bald darauf an dem Lächeln von Merkel ergötzen. Die Kanzlerin lächelt – wir werden alle errettet. Und zwar ganz ernsthaft.

Besieht man sich hingegen Wolfgang Schäuble, könnte man meinen, dass CDU „Chor der Unlustigen“ heißt. Und genauso macht er Politik, was dem Deutschen in seiner biederen, steifen Ernsthaftigkeit gefällt. Ja, so trompeten es die schwäbischen Fanfaren hinaus, ja, wir verlängern die Laufzeit der Griechenlandhilfe. Aber nur, wenn sich die Griechen an ihren Reformplan halten. Man hört deutlich das stumme „endlich“ in dieser Aussage. Für uns wird die Situation gerne so dargestellt, als ob die Griechen vor und seit ihrer Pleite nur über uns Deutsche und die anderen Geldbonzen meckern, lustig in Athen herumtanzen und immer mehr Moneten wollen. Deswegen kann sich die CSU in ihrer gottgegebenen Stammtischeleganz wieder einmal besonders schön ans Volk ranwanzen. „Du, Spezl! Geh her, ich geb dir noch ein Starkbier mit einem sauberen Schuss Ideologie aus.“ Fastenzeit? Bitte, warum sollten denn in Bayern die Leute fasten, wenn woanders auf der Welt die Leut' verhungern? Nein, falsche Phrase. So: wenn man den Griechen alles hinterher wirft?

Also muss sich Griechenland erst mal der „Troika“ unterwerfen: EU, EZB, IWF. Wobei die zünftigen drei von der Tankstelle noch nie für ihre Menschenfreundlichkeit bekannt waren.

Die Situation ist verfahren. Wer will die heiße Luft aus der Diskussion lassen? Wer will kühlen Wind reinbringen, damit jemand das problematische Kuckucksei im griechischen Nest schälen kann? Und noch wichtiger: Ist das Ei bereits faul? Kann die EU es noch fressen? Will sie es fressen? Oder sagt sie im letzten Moment: „Ich halte eine strenge Hunger-Diät und kann nur die fetten Brocken verdauen.“

Die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt verkündet im parteipolitisch-typischen Mahnton, dass es wichtig sei, die Maßnahmen intensiv und auch „kritisch“ zu prüfen. Skepsis, fordert sie, sei angebracht. Denn die griechische Regierung sei „nicht nur etwas forsch“ zugange, sondern sie, Hasselfeldt, habe Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Vorschläge. Ja, da haben wir sie wieder, des Deutschen geliebte Ernsthaftigkeit.

Man wundert sich nicht mehr, wie es zu Handgreiflichkeiten während eines Karten- oder Fußballspiels kommen kann. Das ist alles kein Spaß, Freunde.

Wenigstens gibt Griechenland ganze öffentlich zu, dass im eigenen Lande Korruption herrscht. Hierzulande spricht Merkel gegenüber solchen Elementen wie dem Hoeneß von „Vertrauen“ und „Enttäuschung“. Aber immerhin ist sie unsere Mutti, da darf sie schon mal unsachlich die systematischen Wasserköpfchen tätscheln. Wenn sie hernach lächelt.

Jeroen Dijsselbloem, seines Zeichens Euro-Gruppen-Chef, packt derweil ein Ränzlein für einen „langen Weg“. Am Ende des Wegs sieht er das Licht: eine Einigung mit der griechischen Regierung über die Reformen. Die Liste aus Griechenland sei nämlich nur ein Hinweis auf Reformen! Ha! Die blöden Olivenpflücker! Haben sie wieder ihre Hausaufgabe nicht zufriedenstellend erledigt. Und obwohl er sich nun auf die Prüfung des windigen Hinweises vorbereitet, glaubt er trotzdem, dass die Regierung es „sehr ernst“ meine. Jedoch, es bleibt abzuwarten, was die Geldgeber zum Reformhinweis sagen. Denn wer zahlt, hat Recht.
Immerhin haben sie politisch für jeden etwas dabei, die Griechen: links und rechts.

Bei dem ganzen Geseier und Geeier überkommt einen das Gefühl, dass man sich inmitten einer Familienfeier befindet, auf der keiner dem anderen so richtig zuhört. Da sitzt also das schwarze Schaf Griechenland am Tisch, stochert lustlos in seinem Häufchen Rührei aus der Legebatterie herum und sagt: „Ich will doch eh mein Leben ändern, nämlich...“

Aber schon fallen ihm die Erwachsenen ins Wort, wissen alles besser und planen für das Schaf dessen Leben samt allen Veränderungen durch.

Die Mutter Theresa des Kapitals, Christine Lagarde, erklärt passend, dass Griechenland und seine europäischen Verhandlungspartner ein Projekt unterstützen müssten, das das Wachstum anschiebt. Hat die lustige Tante etwa zu viel Eierlikör gezwitschert? Wachstum anschieben? Wachstum bedeutet doch, dass etwas wächst. Sonst ist es kein Wachstum.

Künstliches Wachstum macht immer Probleme. Man denke nur an die Streckbank. Noch dazu will sie eben ein Wachstum, das aus „finanzieller und ökonomischer Sicht vernünftig und stabil ist“. Für Lagarde ist nicht der Grieche entscheidend oder der Europäer oder sonst irgendein unwichtiger Arbeitnehmer-Hanswurst. Lagarde will, dass „die griechische Wirtschaft und die Menschen in Griechenland Kapital daraus schlagen“. Aus was? Geh, bitte! Eben aus allem.

Die USA sind indes ebenfalls hoch verschuldet, bei den Chinesen. Was wiederum im „Konflikt“ mit Russland richtig übel für die Amerikaner ist. Es wabern immerhin Gerüchte durch den Äther, dass Russland mit den Chinesen eine eigene Währung plant. Man könnte also gegenüber den USA genauso gut sagen: Räumt erst mal euren Laden auf. Aber der Amerikaner ist kein Grieche. Und der Hoeneß ist kein (normaler) Steuerzahler.

Manchmal, wenn die Nachrichten laufen und ich das Gefühl habe, ich muss gleich in den Fernseher hinein schießen, dann wünsche ich mir, dass die Clownsarmee ins Bild springt. Und dass sie den Bundestag samt ihrem öffentlich-rechtlichen und privaten Apparat mit faulen Eierlikörkuchen lahmlegt. Ganz ernsthaft.

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Schlagwort :
Andrea Limmer

Freie Journalistin

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