Oh mei oh mei die Maifeiern

05 Mai 2015
Autor :  

Hundedreck und #Whaling

Oft denkt man sich: Es muss sich endlich einmal was ändern! Jetzt kommt der Mai! Die Sonne! Schmetterling und Bienengesumm! Aber dann regnet es tagelang und das einzige Vorzeichen des Sommers sind aufgetaute Hundehaufen, in die man sicher hineinsteigt. Am besten ausgerechnet auf dem Weg zur Maifeier. Das sieht wiederum sofort Google, weswegen man fünf Minuten später mit Werbung für Schuhe und Schuhreiniger überschwemmt wird.

Während man nun überlegt, wie man am besten das Malheur beseitigt und ob man die schicken Treter vom Deichmann billiger im Internet kaufen könnte, kriegt man die nächste Meldung: BND und NSA sind offenbar zwei gut befreundete Quadrattratschen. O je, denkt man, dann weiß die Merkel schon vom Obama, dass ich in den Hundehaufen getreten bin, wie peinlich.

Zum Glück nimmt sich die Kanzlerin gerade eine „kurze Auszeit“ im Vogelpark.  Sie sucht sozusagen Zooflucht vor den menschlichen Affen bei den Halbaffen. Leider kriegt die Ziege aus Afrika nichts von Mutti, „nicht mal ein Stück trockenes Brot“, liest man bei web.de. Herzerwärmend! Und da sag noch einer, die Flüchtlinge bei uns würden eingepfercht und behandelt wie Tiere! Die Asylbewerber bekommen nämlich etwas zu essen vom deutschen Staat. Was genau, ist ja unwichtig. Ob sie das Essen vertragen auch. „Die werden das schon runterbringen, wenn sie richtig Hunger haben“, hört man an den Stammtischen die Experten sprechen. „Denen geht es besser als einem deutschen Arbeitslosen.“

Warum bringen sich die Asylbewerber, die vor dem Tod geflüchtet sind, dann bei uns um? Weil ihnen die Contenance und der Verdauungstrakt einer Ziege fehlt?

Apropos Verdauung! Verstohlen will man den Dreck im Gras abwischen, aber da springt die Frau Zeterschimpf von den Grünen aus dem Gebüsch. „Was denken Sie eigentlich, was Sie gerade unserer Umwelt und der ganzen Menschheit antun? In diesem Gras leben Zecken und sonstiges Ungeziefer, das Sie hier einfach zerquetschen wollen! Ja meinen Sie denn, das Gras weint nicht, wenn man es schneidet?!“ Da ist man gleich so betroffen wie Claudia Roth und vergisst, bevor die Zeterschimpf davoneilen kann, zu fragen, wie dass denn nun ist mit dem verseuchten Grundwasser in Hessen und dem Bericht darüber, den die grüne Umweltministerin Priska Hinz unter Verschluss gehalten haben soll. Rein scheinen in diesem Gebiet jedenfalls nur noch die kapitalistischen Interessen des nordhessischen Kali-Konzerns K+S zu sein. Das will man jetzt doch wissen, versucht es zu googlen, landet aber auf einer lustigen Videoseite vom Spiegel, die den neuesten Internet-Trend #Whaling anpreist.

Nach dieser kurzweiligen Gemütserhellung sucht man ein Taschentuch. Von rechts schiebt sich eine Hand samt Taschentuch ins Blickfeld. An dieser hängt ein AfDler, der sagt: „Das haben Sie jetzt von den ganzen Ausländern. Die lassen überall ihre Hunde hinscheißen. Und dann heiraten Sie unsere Frauen weg und behandeln sie schlechter als eine Kuh.“ Schnell will man den Schuh an der Anzughose des AfDlers abwischen, der blitzschnell wegkriecht. Leider kommt die Meldung über den Thüringer AfD-Vizefraktionsvorsitzenden Stephan Brandner und die Aufhebung seiner Immunität eine Sekunde zu spät rein. Es wäre bestimmt ein unterhaltsames Gespräch geworden über das Sex-Video von Brandner, welches er einfach ins Netz gestellt hat, ohne die mitwirkende Dame um Erlaubnis zu fragen. Aber Moment, denkt man beim Betrachten vom Brandnergesicht, wer will denn dieses Video überhaupt sehen?
Man betrachtet den Schuh und denkt über eine App gegen Hundedreck nach. Und wenn man so etwas programmieren kann, dann vielleicht auch eine gegen Leuteschinder.

„Die Menschen haben sich schon immer gegenseitig beschissen und die Köpfe eingeschlagen“, sagte unlängst ein Freund. Dabei könnten wir nur alle gemeinsam den Karren aus dem Dreck ziehen, weil wir ihn schließlich auch gemeinsam reingefahren haben. Jedoch läuft es so, dass ein paar Menschen neben dem Karren stehen und andere dafür bezahlen, dass sie an schlechten Seilen, die unweigerlich reißen, herumzerren. Wobei die Zieher mit versprochenen Bonuszahlungen und Statussymbolen gegeneinander aufgehetzt werden. Ergo rennt diese Maschine also mit Super Unfrei und Abhängigkeitsdiesel.

Die Abhängigkeit, vor allem die erzwungene, ist zwar für niemanden erstrebenswert, allerdings begeben sich die meisten in ein solches Verhältnis. Am Arbeitsplatz, in einer lieblosen Beziehung, als uninformierter Bürger oder im Taxi. Man könnte aus all diesen Abhängigkeiten flüchten, wenn nicht die, von denen wir vermeintlich abhängig sind, bereits ein Mittel dagegen erfunden hätten: die Unterdrückung. Diese funktioniert ganz individuell, durch Angst, Gewalt und Isolation.

Dagegen muss man etwas tun, vor allem gegen die Isolation! Also auf, zur Maifeier … nein, erst der Dreck ...

Dann kriegt man einen Anruf: Die Maifeier findet sowieso nicht statt. Wegen dem Regen. Man selbst steht immer noch am selben Fleck, stinkt entsetzlich nach Hundedreck und hat keine Ahnung, woher das kommen mag. Dann kommt noch eine Meldung, dass die Rechtsradikalen in Weimar eine Arbeiterkundgebung aufgemischt haben und man überlegt, während man zurück nach Hause marschiert, den kleinen braunen Freund am Hacken, ob es diese Smartphones jetzt mit Duftsignal gibt. Es gibt ja auch #Whaling.

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Andrea Limmer

Freie Journalistin

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