Trotzdem liegt die AfD in den Umfragen inzwischen bei sechs Prozent. Und das ist wiederum beruhigend. Sollte die AfD wirklich die schlimme Parteikreatur der „Entartung“ sein, für die sie Menschen mit Resthirn halten, sind wir vor ihr sicher, so lange ihre Mitglieder erst Tage nach der möglichen Machtergreifung merken, dass die Machtergreifung möglich gewesen wäre.
Und haben wir nicht erwartet, dass die SPD sofort Koalitionswillen zeigt, Steinbrück hin, Steinbrück her? Denn jetzt kommt einer nach vorn, der schon zu lange in der zweiten Reihe schmollt: Sigmar Gabriel. Der sprintet wie ein Langzeitunterzuckerter, dem man auf einen Sitz drei Bananensplits mit Schokoriegelfüllung und Lollitopping gegeben hat, an das eben noch von Peer Steinbrück freigegebene Rednerpult und bekundet sogleich seine Offenheit. Offenheit gegenüber „Sondierungsgesprächen“. Mit der Union. Sondierung heißt ja „Nachforschung“ oder „Umfrage“. Ich frage mich indes, was genau die SPD noch nachforschen mag. Ist ja alles schon gesagt. Und nun kommt sogar der gestrenge Onkel Schäuble an und lässt anscheinend derzeit an der Anhebung der „Reichensteuer“ arbeiten. Dafür wird die SPD der Siegermacht sicherlich auch entsprechend freundlich entgegenkommen.
Unterstützung findet der Sigi jedenfalls. Zum Beispiel beim Armin Schild, seines Zeichens der Bezirksleiter der Frankfurter IG-Metall und Mitglied im SPD-Parteivorstand. Der bescheinigt seinem Kumpel Gabriel, dass er (und jetzt Obacht) die Partei während des Wahlkampfs „in einer sauschwierigen Phase“ zusammengehalten habe. Deswegen müsse man ihn nun führen lassen. Hab ich da was falsch verstanden? Ich hab gedacht, der Steinbrück war Kanzlerkandidat und hat die SPD aus ihrem Umfragetal des bodenlosen Nichts geholt. Mensch, die sehen sich aber auch alle ähnlich, diese Politiker.
Wenn Oscar Lafontaine dieser Tage behauptet, der SPD fehle der Wille zur Macht, dann irrt er. All dies geschieht ausschließlich aufgrund von einem tief verwurzelten, sozialdemokratischen Machtwillen, der diese Partei – und das kann man unmöglich zu oft wiederholen – der diese Partei schon nach dem ersten Weltkrieg in die große Koalition getrieben hat, um sich selbst zu zerstören. Danach kam der Abgrund des Wahnsinns, in den Deutschland fiel. Freilich, die Lage damals war eine andere. Und ein Gabriel ist kein Ebert. Und die Nazis dürfen offiziell keine Hakenkreuz-Helme und -Armbinden mehr tragen. Aber es gibt Übereinstimmungen: Die hysterische Abgrenzung zur Linken, eine Behinderung beim gemeinsamen Gespräch und letztendlich die Uneinigkeit.
Die Grünen verhalten sich auch, wie man es erwartet hat. Claudia Roth schaut betroffen, Renate Künast schaut grantig und Jürgen Trittin tritt unaufhaltsam als unnachgiebig sowie als Wunschkandidat auf. Die anderen reden erst mal ganz ernst und so, beim kleinen Parteitag, und scheuen keine Kritik. Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, belehrte Trittin: „Man muss auch offen sein, sich einmal belehren zu lassen und nicht selber zu belehren.“ Hoffentlich kann er den Zeigefinger jemals wieder abbiegen.
Trittin hat derweil eine andere Lösung: Man sei auf keinen Fall zu links aufgetreten. Aber man habe die eigenen Wähler „überschätzt“ und den Gegner „unterschätzt“. Die Lösung ist also: Jeder ist Schuld, aus dem Bündnis. Wie denn auch, so liebe Leute. Haben eine Sonnenblume im Logo. Und immer ein gutes Wort für die armen Tiere. Trotzdem sind sie ganz normale Menschen, wie Karin Göring-Eckardt, die Führerin des grünen „Realo-Flügels“ werden will, beweist, indem sie sagt, dass sie gerne Thüringer Bratwurst isst. Manno Meter!
Alles, was gerade passiert, ist im Grunde so fade und vorhersehbar wie der Wahlkampf. Nur einer hat sich die Wahl und das Nachspiel offenbar ganz anders ausgerechnet und zwar ausgerechnet der Rösler von der FDP. Das ist die Partei, für die auch mal der Westerwelle hinter Pulten herumgestanden hat – ah, Moment, den gibt es ja noch, man sieht ihn nur nicht. Aber die Freiheit, für die jene FDP so gern der Fürsprecher wäre, die gibt es auch, obwohl viele sie nicht sehen. Jedenfalls ist der Rösler stinkig, weil Mutti ihn nach ihrem Triumph nicht gleich angerufen hat. Und wie sie angerufen hat, sind ihm ihre Worte zu unpersönlich gewesen. „Feige“, nennt der Rösler das, was passiert, wenn Mutti ihm nach zwei Jahren die Brust verweigert.
Gewagt bei einem Mann, der vor Tagen schon sein Facebook-Profil hat löschen lassen und bereits jetzt in der Öffentlichkeit so existent ist, wie sein Kollege, der Außenminister. Oder der Brüderle. Wenn die Gelben was können, dann mit dem Wind fliegen. Ob sie dabei einen neue Saat verteilen bleibt so offen wie bei Gabriel.
Die Langeweile, dieses dröge Dahinplätschern, verwundert einen umso mehr, je weiter man sich in die „Aufreger“ der jüngsten und älteren Zeit einliest: Dr. Guttenberg (überdeckt von Dr. Schavan), Christian von Boetticher und seine 16-jährige Geliebte (überdeckt vom grünen Pädophilie-Eklat), Schavans Hubschrauberflug für 26.000 Euro (überdeckt von Dr. Schavan), die große Spendenaffäre der CDU (überdeckt von Mutti), der afghanische Teppich von Dirk Niebel, den er via Bundesnachrichtendienst einfliegen lassen wolle (überdeckt vom Teppichschmuggel von Cleopatra), die NSA-Abhör-Affäre (überdeckt vom Wahlkampf), Christian Wulff und seine Geschenke (überdeckt von Pastor Gauck), die Medien-Zensur-Affäre der CSU (überdeckt von Söders gesamtem Verhalten), NSU (überdeckt von NSA), …
Wie können wir das alles in kurzer Zeit vergessen? Wieso bleiben wir derart ruhig und schauen den immer gleichen Elementen zu, wie sie immer wieder das gleiche Theater abziehen? Die Qual der Wahl.
Wahrscheinlich ist die Sehnsucht nach Sicherheit, die dem Deutschen seit Jahren von den Medien angedichtet wird, daran Schuld. Und um diese Sehnsucht zu befriedigen, bin ich mit meinem geschätzten Kollegen Ludo Vici in die Zukunft gereist, um die Gesetze, welche von der neuen Koalition gemacht werden, schon heute zu präsentieren:
- Ein-Euro- und Mini-Jobs sollen sich endlich lohnen. Sie werden besteuert.
- Die Firma Schlecker wird mit Mitarbeitern der FDP-Fraktion wiederbelebt.
- Die BRD steigert ihren Export. Sie verpflichtet alle EU-Partner, monatlich aus dem Kanzleramt Kraut und Rüben zu kaufen.
- Spanien, Portugal und Griechenland werden verpflichtet, Leiharbeiter, die aus diesen Ländern kommen, gegen Verarbeitungsgebühren wieder zurück zu leasen.
- Angela Merkel fordert persönlich von der Radioaktivität, dass sie weniger radioaktiv ist.
- „Unser Staat soll schöner werden“, beschließt Frau Söder. Dann geht sie nach Hause und erschlägt ihren Mann. Als Grabstein bestimmt sie per TOP 666 den von selbst und bei Lebzeiten mumifizierten Helmut Kohl.
- Für die kostenlose Benutzung der Autobahn muss man einen Ariernachweis erbringen. Fippsi Rösler, ein arbeitsloser Asiate, und Cem Özdemir, türkischer Scheinselbstständiger, verklagen die Bundesregierung. Die außerparlamentarische Koalition steht.
- Tiere essen wird verboten.
- Tieren wird das Essen verboten.
- In Essen werde Tiere verboten.
- Tiere, außer die Süßen wie Kätzchen und Welpen, werden umbenannt in Nichtmenschen und müssen einen Personalausweis mitführen.
- Alle Deutschen werden zum Kauf von griechischem Olivenöl verpflichtet. Herstellung und Vertrieb unterliegen dem neuen wie alten Entwicklungsminister Niebel, der auf Wunsch des BDI im Amt bleiben darf.
- Merkel verbietet die unlautere Verwirrung der Deutschen durch die Medien. Alle Zeitungen werden geschlossen, bis auf eine große Volkszeitung: „Die Weltbild“.
- Merkel schaltet das Internet ab.
- Merkel verbietet Bananen.
- Horst Seehofers Büro wird in ein Bierzelt verlegt. Die CDU lässt dieses umgehend hermetisch abriegeln.
- Ilse Aigner setzt die 40-Prozent-Hürde ein. Sie habe gern ihre Ruhe, erklärt Aigner gegenüber der Weltbild.
- Die NSA wird auf deutschem Boden verboten und schwebt fürderhin über den Gesetzen.
- Nachdem die NSA sich daraufhin umbenennt, in National-Sozialistische-Ulknudelpartei, also NSU, verbietet die Kanzlerin alle Parteien, außer ihre.
- Merkel benennt sich um in Merklin und lässt sich eine Krone aus Olivenzweigen und Euronen anfertigen.
- Der Deutsche muss sich nie wieder mit Wahlen herumschlagen. Es genügt in Zukunft, dass er ja sagt.