Bereitet die EU eine länderumfassende Einschränkung der Reisefreiheit vor?

Samstag, 17 April 2004 11:58

Bereitet die EU eine länderumfassende Einschränkung der Reisefreiheit vor?

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Unzulässigkeit der Schleierfahndung in Deutschland? - Plant die EU dafür den Ausbau der Schleierfahndung?

Das Fernsehmagazin "Report aus München" wird derzeit von vielen Medien zitiert was die eventuelle Aufhebung der Schleierfahndung in Deutschland betrifft. Doch was plant der EU-Rat wirklich?  Laut "Report aus München" solle mit Bestätigung durch Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU), ein Vorstoß der EU-Kommission geplant sein, die auf eine Abschaffung solcher "verdachts- und ereignisunabhängigen Personenkontrollen" in allen Mitgliedsstaaten ziele. Dabei gehe es um Kontrollen, die auf den unmittelbaren Grenzbereich oder wichtige Durchgangsrouten beschränkt seien. In einem Verordnungsentwurf bezeichne die Kommission solche Kontrollen angeblich als "unzulässig", da sie mit der Reisefreiheit nicht zu vereinbaren seien, wie das Magazin berichtete.

Beckstein sprach dem Magazin zufolge mit Blick auf zahlreiche Fahndungserfolge von "schwerwiegenden Nachteilen für die innere Sicherheit", falls sich die Brüsseler Kommission mit ihren Vorschlägen durchsetzen sollte.

Dem Bericht zufolge hat sich Beckstein deshalb wieder einmal die Unterstützung von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) gesichert, denn der Bundesgrenzschutz wäre von einem Verbot der Schleierfahndung ebenfalls betroffen.

Allerdings wird übersehen, dass auf der TAGUNG DES EUROPÄISCHEN RATES, BRÜSSEL, 4./5. NOVEMBER 2004 die Schlussfolgerungen des Vorsitzes sogar eine Ausweitung der Kontrollen zur Folge haben könnte.

Also völlig unterschiedliche Positionen derzeit zwischen dem Vorsitz des EU-Rates und der EU-Kommission.

Denn in den Schlussfolgerungen des Vorsitzes unter Punkt 1.7.2. Biometrie und Informationssysteme heisst es u.a.:

Die Steuerung von Wanderungsbewegungen, einschließlich der Bekämpfung der illegalen Einwanderung, sollte durch ineinander greifende Sicherheitsmaßnahmen verstärkt werden, durch die Visaantragsverfahren und Einreise- und Ausreiseverfahren beim Überschreiten der Außengrenzen wirkungsvoll miteinander verbunden werden.

Diese Maßnahmen sind auch von Bedeutung für die Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität, insbesondere des Terrorismus. Zur Verwirklichung dieses Ziels bedarf es eines in sich stimmigen Konzepts und harmonisierter Vorgehensweisen in der EU in Bezug auf biometrische Identifikatoren oder Daten.

Was "harmonisiertes Vorgehen" bedeutet, heisst nicht unbedingt eine Abschaffung, sondern kann natürlich auch eine Ausweitung bedeuten.

Weiter heisst es: Der Europäische Rat ersucht den Rat, auf der Grundlage einer im Jahr 2005 zu veröffentlichenden Mitteilung der Kommission über die Interoperabilität zwischen dem Schengener Informationssystem (SIS II), dem Visa-Informationssystem (VIS) und Eurodac zu prüfen, wie Effizienz und Interoperabilität der EU-Informationssysteme bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung optimiert und die Grenzkontrollen sowie die Steuerung dieser Systeme verbessert werden können, wobei dem Erfordernis, das richtige Verhältnis zwischen Strafverfolgungszwecken und der Wahrung der Grundrechte zu finden, Rechnung zu tragen ist.

Die Schleierfahndung in Deutschland hat die Verhältnismäßigkeit schon lange überschritten, wie unser Bericht aus dem Jahre 2001 zeigte. (Ein weiterer Tropfen zum überlaufen)

Schleierfahndung Erlebnis
Unter dem Motto: Reiseland Deutschland - nix wie hin" begann im Januar 2001 das "Jahr des Tourismus 2001 in Deutschland".

Leider musste ein German News Redakteur am eigenen Leib feststellen, dass dieser Leitsatz in Bayern auf keinen Fall zutraf und Reisende mit Represalien bei einem Besuch von Bayerns Urlaubswelt rechnen konnten. NIX wie weg konnte man nur sagen.

Hintergrund: Ein Mitarbeiter und Journalist der German News fuhr mit der Deutschen Bahn am 23. Januar 2001 von Stuttgart (Baden-Württemberg) nach München und wurde kurz hinter Ulm (Bayerische Landesgrenze) im Rahmen der sogenannten Schleierfahndung kontrolliert.

Die Kontrolle bei der o.g. "Schleierfahndung" umfasste die Ausweiskontrolle und Taschenleerung.

Dabei wurde auch die Geld- und Dokumentenbörse überprüft und der offizielle Journalistenausweis "entdeckt" und entwendet.

Das folgende Gespräch zeigt wie Kontrollen und deren Ergebnis aussehen:

*POW = Polizeioberwachtmeister

POW: Was ist das denn ???
Fahrgast: "das ist ein Presseausweis"
POW: Das glaub ich nicht
Fahrgast: tja kann man nix machen.
POW: Was ist denn BDZV
Fahrgast: Das ist der Aussteller des Presseausweises das heißt: Bundesverband der Zeitschriftenverleger
POW: da kann man ja nichts richtig lesen da sind die Buchstaben ja ganz verschmiert
Fahrgast: ja der ist auch ein Jahr alt - hatten Sie schon mal ein Dokument in einer Klarsichthülle längere Zeit ? Dann sollten Sie wissen, dass Buchstaben sich ablösen und an der Folie kleben bleiben.
POW: Den haben Sie selbst gemacht ! (feste Meinung)
Fahrgast: Sagen Sie mal - kennen Sie etwa keinen Presseausweis ?
POW: so einen habe ich noch nie gesehen - der ist sicher falsch
Fahrgast: ja und jetzt - was soll das heißen
POW: Den Presseausweis werden wir jetzt überprüfen
Fahrgast: bitte schön - nur warum ist mir "schleierhaft"
POW 2: Wo waren Sie:
Fahrgast: In Stuttgart
POW 2: und was haben Sie da gemacht
Fahrgast: Ich war auf einer Messe (CMT)
POW 2: und da haben sie einen Stand
Fahrgast: als Journalist recherchiere ich und habe keinen Stand
POW 2: aha
WARTEN 15 Minuten später
POW: Den Presseausweis ziehen wir zur Überprüfung ein
Fahrgast: Das ist ja wohl nicht ihr ernst
POW: doch, doch. Sie bekommen auch eine Quittung mit meinem Namen
Fahrgast: und wenn ich den Ausweis jetzt brauche ?
POW: in ein paar Tagen haben Sie den Ausweis wieder - wenn er echt ist dann brauchen Sie ja keine Angst haben.
Anmerkung: aha und wenn er ein Scherzartikel ist, dann wird man jetzt wohl verhaftet oder wie ?
Fahrgast: ah ja - so ist das - ich bin damit nicht einverstanden
POW: Sie erhalten eine Quittung
Fahrgast: steht ohne Journalistenausweis da. Quittung erhalten

Unsere Fragen an die Staatskanzlei Bayerns wurden damals nach mehrmaligen Nachhaken beantwortet und es wurde festgestellt, daß die Beschlagnahme nicht korrekt war.

Der Ausweis wurde damals an den Verband zurückgegeben und wurde vom Verband für den Journalisten dem German News Mitarbeiter wieder neu ausgestellt. (1 Woche war kein Ausweis vorhanden)

Das bayerische Innenministerium hatte bereits im Jahre 2000 zur Schleierfahndung eine Pressemitteilung (PM 389/2000) herausgegeben die es wert sind einmal nachzulesen.

Wie bei vielen Dingen war der konkrete Fall aus 2001 mit der darin dargestellten "Wirklichkeit" nicht übereinstimmend.

Die Schleierfahndung zeigte im konkreten Fall, dass Personenkontrollen "unkontrolliert" durchgeführt wurden.

Weiter heisst es unter 2.2. Terrorismus

Der Europäische Rat betont, dass der Terrorismus unter uneingeschränkter Wahrung der Grundrechte nur wirksam verhütet und bekämpft werden kann, wenn die Mitgliedstaaten ihre Tätigkeiten nicht auf die Aufrechterhaltung der eigenen Sicherheit beschränken, sondern auch auf die Sicherheit der Union insgesamt abstellen.

Dieses Ziel setzt voraus, dass die Mitgliedstaaten

- die Befugnisse ihrer Nachrichten- und Sicherheitsdienste nicht nur zur Abwehr von Bedrohungen der eigenen Sicherheit, sondern gegebenenfalls auch zum Schutz der inneren Sicherheit der anderen Mitgliedstaaten nutzen;

- den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten alle ihren Diensten vorliegenden Informationen, die Bedrohungen der inneren Sicherheit eines der anderen Mitgliedstaaten betreffen, unverzüglich zur Kenntnis bringen;

- in den Fällen, in denen Personen oder Güter von Sicherheitsdiensten im Zusammenhang mit einer terroristischen Bedrohung überwacht werden, sicherstellen, dass es nicht zu Überwachungslücken infolge von Grenzüberquerungen kommt.

Der Europäische Rat ersucht den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten, ihre Bemühungen um die Einbeziehung biometrischer Identifikatoren in Reisedokumente, in Visa, in Aufenthaltstitel, in die Reisepässe der EU-Bürger und in die Informationssysteme unverzüglich fortzusetzen und unter Einbeziehung der ICAO-Normen Vorbereitungen für die Ausarbeitung von Mindestnormen
für nationale Identitätsausweise zu treffen.

Unter dem Deckmäntelchen der Terroristenfahndung wird nun das ganze System erweitert und nicht eingeschränkt.

Dass die US-Regierung ihre Bürger mit immer mehr solcher Gesetze in ihren bürgerlichen Rechten einschränkt ist bekannt.

Europa ist auf dem besten Weg sich ebenfalls dem Diktat von Terroristen zu beugen und das System der US-Regierung zu kopieren.

Wo die Freiheit wohl grenzenlos ist?

Es bedurfte mehrerer Revolutionen um die Freiheitsrechte von Bürgern innerhalb der EU zu manifestieren.

Es bedarf scheinbar ein paar Weniger um das gesamte System zu kippen. Schleichend langsam und fast lautlos aber feststellbar.

Im Falle des übermäßigen Einsatzes beim Fall German News wurde argumentiert, es handelt sich nur um ein Versehen, sprich es handelte sich wohl um einen Einzelfall. Was stellen dann Terrorakte eigentlich dar?

Haben wir jeden Tag an jedem Ort mit terroristischen Anschlägen zu rechnen?

Wohl kaum. auch wenn der Innenminister Otto Schily (SPD)einvernehmlich mit dem Innenminister Beckstein aus Bayern (CSU) das immerwährend der Bevölkerung glaubhaft machen möchten.

Ein Volk in Angst zu versetzen - was soll dabei herauskommen? Das Ergebnis zeigten die letzten Wahlen im Osten der Republik.

Sich dem Diktat terroristischer Einzelkämpfer unterzuordnen ist den Freiheitsentzug nicht wert.

Jeder Bürger der EU und der Bundesrepublik Deutschland hat nur ein Leben und dieses Leben muss so gelebt werden dürfen wie es der Einzelne, ohne Gefährdung Dritter, führen möchte.

Politiker und Verwaltungsbeamte sind immer versucht Ordnung in das Chaos zu bringen. Doch die Welt ist ein einziges Chaos. Der IRAK-Krieg zeigt das besonders deutlich. Bei der Begründung, bei der Ausführung und bei der geplanten Beendigung.

Unter Punkt 3. STÄRKUNG DES RECHTS meint der Vorsitz weiter

Der Europäische Rat betont, dass die Arbeit an der Schaffung eines Europas der Bürger weiter vorangebracht werden muss und dass der entstehende Europäische Rechtsraum in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielt.

Einige Maßnahmen sind bereits durchgeführt worden. Weitere Anstrengungen sollten unternommen werden, um den Zugang zur Justiz, die justizielle Zusammenarbeit sowie die umfassende Inanspruchnahme der gegenseitigen Anerkennung zu erleichtern.

Von besonderer Bedeutung ist hier, dass die Grenzen zwischen den Ländern Europas der Beilegung zivilrechtlicher Streitigkeiten oder der Erhebung zivilrechtlicher Klagen und der Vollstreckung zivilrechtlicher Entscheidungen nicht länger im Wege stehen.

"Die Schaffung eines Europas der Bürger" und dann ist nur noch von Justiz; Klagen, Vollstreckung die Rede.

Wo bleibt der Bürger mit seinen Rechten?

Es wird so mancher meinen, was solls, wer keinen Dreck am Stecken hat braucht auch nichts zu befürchten.

Wenn es nur so einfach wäre. Denn einmal der Freiheit beraubt ist von Recht nicht mehr viel zu spüren.

Die Einsitzenden "vermeintlichen " Terroristen in Guantanamo auf Kuba werden davon ein Lied erzählen können, wie es so ist, wenn man seine bürgerlichen Rechte geltend machen möchte, nachdem man eingesperrt wurde.

Unschuldige in den Todeszellen der USA werden von der Freiheit erzählen können die dann nichts mehr wert ist wenn man selber einmal betroffen und gar unschuldig ist.

Wer glaubt er habe nichts gemacht und deshalb kann ihm nichts passieren irrt gewaltig in einer Zeit wo Regierungen meinen alles mit Kontrolle, Verhaftung und Nivellierung des gesamten Spektrum zu erreichen.

Niemand will einen rechtslosen Staat. Recht muss Recht bleiben. Aber es heisst auch im Volksmund "Du bekommst kein Recht sondern ein Urteil". Das sollte niemals vergessen werden. Recht haben heisst eben nicht unbedingt Recht bekommen.

Noch vor kurzem galt das Abhören der Wohnung als genehm und akzeptabel - bei den Politikern. Erst Gerichte konnten den Schutz der Wohnung wieder herstellen. Doch einmal verdächtigt, einmal festgenommen lässt sich schwer das Recht wieder finden - selbst wenn es nicht rechtens war.

Die kompletten Schlussfolgerungen des Vorsitzes des EU-Rates finden Sie im Internet unter:

Europa.eu.int

Weitere Links zur Schleierfahndung finden Sie unter
schleierlinks.htm

Original einer Beschlagnahme während einer Schleierfahndung finden Sie hier

Informationen zum Datenschutz finden Sie unter schleierfahndung_datenschutz.htm

Emailadressen der Abgeordneten in Bayern finden Sie unter schleierfahndung_abgeordnete_bayern.htm

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