Glyphosat ist der mit Abstand am häufigsten eingesetzte Pestizidwirkstoff in Deutschland – rund 5.400 Tonnen werden von dem Herbizid bundesweit jährlich eingesetzt. Laut Weltgesundheitsorganisation ist das Totalherbizid erbgutschädigend und "wahrscheinlich krebserregend". Die gemessenen Werte lagen zwischen 0,46 Mikrogramm pro Liter (µg/l) und 29,74 µg/l und damit im Extremfall fast 300-fach über dem gesetzlichen Grenzwert für Trinkwasser (0,1 µg/l).
Derzeit wird im Bundestag darüber beraten, ob die Zulassung von Glyphosat in Deutschland und der EU für weitere 10 Jahre verlängert werden soll. Zahlreiche Verbraucherorganistionen kämpfen derzeit für eine Sperre von Glyphosat und bemängeln den letzten unter "geheim" eingestuften Bericht der EU. In Europa ist ja die Geheimhaltung von Berichten und Verhandlungsdokumenten mittlerweile zum normalen Standard erkoren, wie auch die CETA, TTIP und TISA Verhandlungen zeigen.
Dass bei "Geheimhaltung" das Vertrauen der Bürger in die Politik und den Nutzniesern steil nach unten zeigt, verwundert nicht. Und jetzt auch noch das Bier, auf das die deutschen Brauer und deren Trinker doch so stolz sind. Vertrauensbildende Massnahmen sehen anders aus und da es nun der Deutschen liebstes Getränk geht, wird der Vorfall wohl länger zu Gesprächsstoff sorgen, als es sich die Politik momentan vorstellen kann.
Das Umweltinstitut München e.V. hat in einer aufwendigen Studie nämlich festgestellt, dass von 14 getesten Bieren bei allen Glyphosat enthalten war. Für Bier
existiert zwar kein eigener Grenzwert, der höchste gemessene Wert lag jedoch mit 29,74 Mikrogramm pro Liter (μg/l) fast 300-fach über dem Trinkwasser-Grenzwert (0,1 μg/l). Selbst der geringste gemessene Wert lag noch um das Fünffache über dem Grenzwert für Trinkwasser.
Mit einer Glyphosatmenge von 29,74 μg/l steht "Hasseröder" an Nr. 1 der 14 gestesteten Biere. Platz 2 übernahm Jever Pils mit 23,04 μg/l, dicht gefolgt von Warsteiner mit 20,73 μg/l.
Dass die deutschen Brauer nun in die Offensive gehen, versteht sich von selbst. Geht es doch um Millionen von Hektolitern, die den großen Brauerein, aber auch den kleinen ein gutes Auskommen bisher bescherte.
Der Deutsche Brauer-Bund vertraut weiterhin, so in einer Stellungnahme vom 25.2.2016, der Einschätzung der Wissenschaftler des BfR. Der Deutsche Brauer Bund weist darin den Vorwurf des Münchner Umweltinstitutes, die Brauereien würden ihre Rohstoffe nicht ausreichend kontrollieren, deshalb als absurd und völlig haltlos zurück. Davon war in der Studie nichts zu lesen, aber es klingt zumindest gut. Die Brauereien in Deutschland betreiben, so der DBB weiter, ebenso wie die vorgelagerten Stufen der Malz- und Hopfenerzeugung, einen hohen Aufwand, um die vier natürlichen Rohstoffe Wasser, Malz, Hopfen und Hefe, die nach dem Reinheitsgebot zum Brauen verwendet werden, auf mögliche Schadstoffe zu kontrollieren.
So hat der Deutsche-Brauer-Bund ein eigenes Monitoringsystem für Braumalz. Das Monitoring zeige, dass die gemessenen Werte stets deutlich unter den Höchstgrenzen liegen. Zu keiner Zeit konnten Überschreitungen der zulässigen Rückstandshöchstwerte bei Glyphosat festgestellt werden, so der DBB. Daneben gäbe es staatliche Kontrollen und weitere Eigenkontrollen der Brauereien, die dafür Sorge tragen, dass keine Schadstoffe Eingang in die Produktion finden.
Die vom Umweltinstitut verbreiteten Testergebnisse sind für den DBB nicht nachvollziehbar und nicht glaubwürdig. Da ihm weder die vollständige Untersuchung vorliegt, noch die Analysemethoden hinreichend belegt wurden, müsse er die Seriosität der Untersuchung ernsthaft in Zweifel ziehen. Dass über Seriosität der WHO kein Wort verloren wird, ist beängstigend.
Selbst wenn die vom Umweltinstitut behaupteten Glyphosat-Werte im Einzelfall zutreffen würden, was der DBB mit Blick auf sein Monitoringsystem und die fragwürdigen Methoden der jüngsten Studie bezweifelt, müsste ein Erwachsener nach Einschätzung des BfR an einem einzigen Tag 1000 Liter Bier trinken, um ein gesundheitliches Risiko durch Rückstände einzugehen. Dieser Umstand ist auch dem Umweltinstitut bekannt. Trotzdem spricht es wider besseren Wissens von einer „gesundheitsschädigenden Wirkung selbst in kleinsten Mengen“.
Die verhamlosende Einschätzung des DBB und des BfR sind allerdings hoch umstritten: Das Bundesinstitut widerspricht nämlich mit der Verharmlosung der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation, die den Stoff für „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ hält. Für seine Bewertung von Glyphosat ist das BfR von Seiten der unabhängigen Wissenschaft heftig kritisiert worden. So heißt es in einer Erklärung renommierter WissenschaftlerInnen: „Wir haben diese beiden unterschiedlichen Urteile über die krebserregende Wirkung von Glyphosat bei Menschen untersucht und kommen zu dem Ergebnis, dass das Urteil der Arbeitsgruppe der IARC bei weitem glaubwürdiger ist. ... Im Gegensatz dazu, ist das Urteil des BfR nicht glaubwürdig, weil es sich nicht auf Beweise stützt und nicht in einem offenen und transparenten Vorgehen zu Stande gekommen ist".
Das patentfreie Herbizid wird nach Daten der WHO auch noch von rund 90 weiteren Unternehmen produziert.
Weitere Informationen finden Sie unter den angegeben Links.
Petition zur Veröffentlichung des unter Verschluß gehaltenen Glyphosatberichtes der EU finden Sie hier.
Die Petition "Glyphosat raus aus dem Bier!" an die deutschen Brauereien finden Sie hier
Video zu Glyphosat des mdr finden Sie hier
Die auf zwei Absätze gehaltene "vorläufige" Einschätzung des BfR finden sie hier
Mehr zum Thema und der Studie des Umweltinstitutes finden Sie unter www.umweltinstitut.org .
Nachtrag: Der Bundestag hat sich am 25.2.2016 dafür ausgesprochen, das Pflanzengift Glyphosat in der EU neu zuzulassen. Bei einer namentlichen Abstimmung votierten 446 Abgeordnete gegen den Antrag der Grünen-Fraktion, die eine "voreilige" Neuzulassung von Glyphosat durch die EU-Kommission stoppen wollte. 117 Abgeordnete stimmten für den Antrag der Grünen, drei enthielten sich.
Bildnachweis: Umweltinstitut München e.V.